Der Kreis, in dem sich die Firma Walter Fenster + Türen aus Kassel bewegt, ist hochkarätig: Das Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung in Potsdam, das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg, das Institut für Werkstofftechnik – Kunststofftechnik an der Universität Kassel, das Wohnungsunternehmen Vonovia SE in Bochum, xCave Technology in Gerlingen (Landkreis Ludwigsburg, Baden-Württemberg) und die Firma Technoform Glass Insulation aus Lohfelden (Landkreis Kassel).
Seit 2019 erforschen und entwickeln sie gemeinsam ein Fenster, das Strom aus Sonnenlicht speichern kann. In diesem multidisziplinären Kooperationsprojekt wurde dazu eine spezielle Kunststofffolie entwickelt, die, mit UV-Strahlung absorbierenden Partikeln versehen, auf die Glasscheibe aufgetragen wird. So wird das direkte und diffuse Sonnenlicht erfasst und konvertiert. Dann wird es an den Rahmen des Fensters geleitet, in dem sich hocheffiziente Solarzellen befinden. Klappt alles wie vorgesehen, kann das Fenster als zusätzliche Fläche für die Stromerzeugung genutzt werden.
Respekt und das Gefühl gebraucht zu werden
Ein ganz schön großes Vorhaben für einen Handwerksbetrieb wie den Kasseler Fensterbauer, könnte man denken. „Wir sind erst ins Spiel gekommen als es richtig praktisch wurde“ schränkt Dr. Frank Walter, Geschäftsführer des Kasseler Fensterbauers, der heute zur hilzinger Gruppe gehört, den Beitrag des Betriebes ein. Erlebt man ihn aber im Gespräch mit Michael Hartung und Matthias Koch, die das Projekt am Zentrum für funktionenintegrierende Kunststofftechnik (UNIfipp) am Institut für Werkstofftechnik als Abteilungsleiter und wissenschaftliche Mitarbeiter betreuen, spürt man schnell den Respekt und die Wertschätzung, die beide Walter entgegenbringen.
„Das läuft super“, sagt Koch, der es grundsätzlich schön findet, mit regionalen Partnern zusammenzuarbeiten. „Es freut uns, wenn wir solche Projekte in das regionale Handwerk tragen können.“ Und auch Walter ist mehr als zufrieden: „Die Zusammenarbeit ist wirklich sehr, sehr gut. Man hat das Gefühl, man wird gebraucht.“ Auch wenn er und seine Mitarbeiter beispielsweise mit der Quantenpunkt-Synthese, also der Technik in der Folie auf der Glasscheibe nichts anfangen können, ist ihre Expertise gefragt, wenn es um das Thema Fensterbau geht.
Wie wird ein Fenster ganz konkret produziert? Wie viel Platz gibt es wo im Rahmen? Wo könnte die Bohrung für den Stromausgang sitzen? Sitzen die Platinen oben oder unten oder sollten sie rund ums Fenster verbaut werden? Bei all diesen Fragen sind die Fensterbauer gefragt.
Jede Idee kann ein guter Input sein
Im Betrieb bespricht Walter sie mit seinem Technischen Leiter, Schreinermeister Henry Flade. Der ist nach anfänglicher Skepsis wegen des komplexen theoretischen Teils des Projekts heute mit viel Spaß bei der Sache. Als es mit den Einbau des Fensters konkret wurde, konnte er auf der künftigen Baustelle sein Wissen und seine langjährige Erfahrung einbringen, eine Expertise, die den Wissenschaftlern erklärtermaßen fehlt und deshalb weiterhalf. Koch weiß: „Jede Idee kann ein guter Input sein.“
Mittlerweile steht das Projekt, das vom Bundeswirtschaftsministerium gefördert wird, kurz davor, ein Teilziel zu erreichen: Ende November soll der erste Prototyp in ein Haus von Vonovia in Kassel eingebaut werden, um zu überprüfen, ob das, was in Labor und Werkstatt funktioniert, sich auch in der Wirklichkeit bewährt. Denn das ist das erklärte Ziel von UNIfipp: „Wir sehen uns sehr stark in der Anwendungstechnik“, sagt Hartung.
„Es geht uns darum, vorliegende Forschung in die Anwendung und Marktreife zu bringen. Das zeichnet uns aus. Deshalb arbeiten wir gerne mit regionalen Betrieben zusammen.“ Ein Vorteil der Zusammenarbeit mit kleinen und mittleren Betrieben sei der direkte Kontakt zu den Inhaberinnen und Inhabern, der Entscheidungswege kurz mache.
Ein Netzwerk, das stetig weiter wächst
Deshalb lebt das UNIfipp von einem Netzwerk, das die Wissenschaftler aufgebaut haben und das stetig weiter wächst. So hat die Firma Technoform Walter Fenster + Türen für das Projekt empfohlen, da man sich durch die Zusammenarbeit kennt. Für Walter selbst eröffnet die Kooperation mit den Kasseler Wissenschaftler neue Kontakte, die er auch außerhalb des Projektes für Problemlösungen im Betrieb nutzen kann. Auf seine Erfahrungen angesprochen, berichtet er, dass die Uni Kassel immer sehr offen auf seine Anfragen reagiert hat. Schließlich ist das „Stromfenster“ auch nicht die erste Zusammenarbeit der Fensterbauer mit der Wissenschaft. Seit 2000 sind es bereits sechs Kooperationen in ganz unterschiedlichen Bereichen.
„Man muss keine Angst haben“, sagt Walter über die Zusammenarbeit mit den Wissenschaftlern. Ihn freut es, dass er so Einblick in deren Arbeit bekommt. „Vielleicht haben Handwerker zu viel Respekt vor Institutionen, die sie nicht kennen“, vermutet er als Grund für die Zurückhaltung vieler Betriebe. „Wir sind gerne Praxispartner. Man spürt den Respekt, der zurückkommt“, beschreibt er die Kooperation. Walter schätzt aber auch, dass ihm sein eigenes Studium im Kontakt mit der Wissenschaft entgegenkommt. Darüber hinaus gibt es für ihn bei jeder Kooperation eine Bedingung: „Es muss halt passen.“
Zuerst geht es darum, die Machbarkeit zu beweisen
Und das tut es im aktuellen Projekt. „Das Fenster, das wir bald verbauen, ist weltweit einzig. Das war für uns sehr spannend.“ Jetzt gehe es darum die Machbarkeit zu beweisen. Im zweiten Schritt bewege man sich dann in Richtung Marktreife weiter. So kann Walter sich vorstellen, dass künftig vielleicht eine ganz Wohnung oder gar ein kleines Haus mit dem neuen Fenster bestückt wird. Für ihn wie für die Wissenschaftler zählt, dass das Projekt in der Region wachsen kann und vielleicht eines Tages auch Arbeitsplätze nach Nordhessen bringt.
Denn die Technologie, die sie gemeinsam weiterentwickeln, ist mit dem Klimawandel und den steigenden Energiepreisen noch wertvoller geworden. Zwar ist die Technologie schon lange bekannt, aber wenig erforscht, erklärt Hartung. „Mit dem Projekt sind wir vorne mit dabei.“
Von Barbara Scholz / Handwerkskammer Kassel
Erste Veröffentlichung: Deutsche Handwerks Zeitung vom 18. November 2023