Das Familienunternehmen Marburger Lederwaren besteht in dritter Generation: Die Cousinen Anja und Katja Knetsch übernahmen es von ihren Vätern Friedrich und Hermann, ihr Großvater hat es 1945 gegründet. Seit den 1980er-Jahren betreibt das Produktionsunternehmen für Uhrbänder auch ein Shop-in-Shop-System für Uhrenservice in Warenhäusern. Seit 1999 gehören die Produktion von Gürteln, die Uhrenwerkstatt und eine Goldschmiede dazu. Das Unternehmen ist heute an 150 Standorten vertreten, unter anderem in der Galeria in Kassel.
Frau Knetsch, die Sensibilität für Nachhaltigkeit in der Wirtschaft und der Gesellschaft wächst, unter anderem kommen Reparaturcafés immer mehr in Mode. Wie sind Ihre Erfahrungen?
Katja Knetsch: Reparaturcafés sind meist private Initiativen. Wir bieten bereits seit Mitte der 1980er-Jahre professionellen Reparatur-Service in Kaufhäusern an, inzwischen gibt es 150 Standorte in Deutschland und Belgien. Die Kunden können dort beim Austausch von Batterien und Uhrarmbändern zuschauen. Was vor Ort nicht repariert werden kann, geht nach Marburg in unsere Meisterwerkstatt.
Sie regen gegenüber der Politik an, Reparatur-Dienstleistungen mit einer geringeren Mehrwertsteuer zu belegen. Warum?
Das Reparieren muss attraktiver werden und bezahlbar sein. Die Politik will Arbeitsplätze im Handwerk erhalten, ferner wird das Recht auf Reparatur etabliert. Warum deklariert man es nicht einfach als Grundbedarf? Dadurch käme ein Mehrwertsteuersatz von sieben statt 19 Prozent zum Tragen. Das wäre die effektivste Weise, diese Ziele zu fördern.
Im September haben die von der IHK mit initiierten Aktionstage „Heimat shoppen“ stattgefunden, Marburg war hier hessenweit Vorreiter. Wie wichtig sind solche Aktionstage?
Aktionstage sind super, reichen aber nicht aus. Die Städte müssen durch kundenfreundliche und innovative Konzepte wieder attraktiver werden. Es müssten mehr Dienstleistungen angeboten werden, und es sollte günstig sein, in die Stadt zu kommen. Intelligente, möglichst kostenfreie Verkehrskonzepte könnten dabei helfen und gleichzeitig im Sinne der Nachhaltigkeit den Individualverkehr senken.
Auch Ihre Branche sucht Arbeitskräfte. Welche Rolle spielt die Zuwanderung dabei?
Wir beschäftigen schon lange Mitarbeiter aus verschiedenen Regionen der Welt, die auch neue Kollegen aus Zuwanderungsländern unterstützen. Damit haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Wir regen an, dass bei der Integrationsarbeit und den -kursen künftig so früh wie möglich ein Betriebspraktikum absolviert werden kann, und Unternehmen, die Praktikumsplätze bereitstellen, entsprechend gefördert werden.
Das Interview führte Bettina Wienecke / Quelle: epaper.wirtschaftnordhessen.de