In einigen Jahren könnte der Kassel Airport zum Drehkreuz für regionalen Elektro-Flugverkehr werden: Welche Marktpotenziale das für den Luftverkehr der Zukunft und den Standort Calden bietet, hat eine Studie ergeben.
Die Vorstellung, mit einem elektrisch betriebenen Flugzeug von Kassel nach Hamburg zu fliegen, klingt zunächst einmal wie Science Fiction. Doch schon in einigen Jahren könnte das möglich sein. Laut einer Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat der Flughafen Kassel-Calden aufgrund seiner zentralen Lage sogar das Potenzial, sich zum wichtigen Drehkreuz für den regionalen Elektro-Flugverkehr zu entwickeln. In Auftrag gegeben hatten die Studie die Flughafen GmbH Kassel und die IHK Kassel-Marburg, fachlich begleitet wurde sie von der Deutschen Lufthansa AG.
Ende des Jahrzehnts könnten die ersten kleinen CO2-neutralen Flugzeuge zugelassen werden, erklärte Dr. Nico Flüthmann vom DLR. Derzeit gehen Fachleute von einer Reichweite von bis zu 400 Kilometern aus. Bei einem Fassungsvermögen von bis zu 19 Passagieren eigneten sich solche Maschinen vor allem als Alternative für den Auto- oder sinnvolle Ergänzung zum Schienenverkehr. Dem Regionalflughafen Kassel könne hier eine besondere Rolle zukommen: „Der Flughafen würde mit einer sogenannten ‚Hub & Spoke‘-Strategie als Drehkreuz fungieren“, heißt es in der Studie. „Das würde es ermöglichen, Verbindungen mit einem Umstieg in Kassel anzubieten, die aufgrund der begrenzten Reichweite sonst nicht möglich wären.“
Konkret bedeutet das: Passagiere, die zum Beispiel von München nach Berlin möchten, könnten in Kassel innerhalb von nur 20 Minuten umsteigen. Und auch eine Vernetzung mit kleineren, dezentralen Flugplätzen ist möglich. Gerade für Geschäftsreisende und damit auch für Unternehmen in der Region sei diese Möglichkeit attraktiv, sagte Dr. Arnd Klein-Zirbes, Hauptgeschäftsführer der IHK Kassel-Marburg. Er fordert, dass die hessische Landesregierung – so wie im Koalitionsvertrag angekündigt – die Potenziale des Airports hebt. Auch IHK-Präsident Jörg Ludwig Jordan sieht die Studie als positives Signal: „Die schnelle Anbindung an andere Luftverkehrskreuze ist eine Chance für den Wirtschafts- und Verkehrsstandort Kassel.“
Ein völlig neuer Regionalflugverkehr
Olof Nittinger, Director Aircraft Evaluation and Market Intelligence bei der Deutschen Lufthansa AG, betont, dass die Markteinführung von Passagierflugzeugen mit batterieelektrischen Antrieben zwar noch nicht unmittelbar bevorstehe, aber vielversprechende Entwicklungen zu beobachten seien. Die Studie deute darauf hin, dass in einigen Jahren ein völlig neuer Regionalflugverkehr entstehen könnte. Dass mit der Zulassung der ersten
E-Flugzeuge hierzulande frühestens ab dem Jahr 2030 zu rechnen ist, liege an den extrem hohen Anforderungen, die Flugzeuge erfüllen müssten.
Dank des elektrischen Antriebs und des Einsatzes von grünem Strom kommen eSAT-Flüge weitgehend ohne fossile Energie aus. Allerdings erfordert die neue Technik eine hervorragende Ladeinfrastruktur. Der Flughafen Kassel bereite sich bereits auf diese Entwicklung vor und installiere Photovoltaikanlagen, erklärt Dr. Tobias Busch, Prokurist und Leiter Unternehmensentwicklung bei der Flughafen GmbH Kassel. Weitere Investitionen seien geplant.
Vorreiter Norwegen will 2026 loslegen
Anregungen für den bevorstehenden Wandel im regionalen Flugverkehr könnte man sich zum Beispiel in Norwegen holen. Das skandinavische Land gilt als Vorreiter, was den Elektro-Flugverkehr betrifft. Zwar stünden auch dort bislang noch keine emissionsfreien Flugzeuge zur Verfügung, aber man sei dort schon weitaus fortgeschrittener in der Planung, sagt Lars Ernst, Geschäftsführer der Flughafen GmbH Kassel. Die ersten elektrischen Flüge soll es dort bereits 2026 geben, bis 2040 sollen laut Regierung alle Inlandsflüge elektrifiziert sein.
Norwegens Pionier-Rolle ist auch in den geografischen Besonderheiten des Landes begründet: Der Bedarf an kurzen Flugstrecken ist in Norwegen besonders groß – unter anderem, um die schwierigen Verkehrsverbindungen zum Beispiel über die zahlreichen Fjorde zu überbrücken. Mit kleinen E-Flugzeugen könnten selbst abgelegene Ortschaften schnell erreicht werden. Pamela De Filippo
Fragen zur eSat-Studie? Tobias Busch, Leiter Unternehmensentwicklung Flughafen GmbH Kassel, Tel. 05674 2153322, tobias.busch@kassel-airport.de
Quelle: www.wirtschaftnordhessen.de