Prof. Dr.-Ing. Mark Junge ist Geschäftsführer der Kasseler Limón GmbH und Autor des kompakten eBooks „Durchstarten bei der Transformation – Wegweiser für die Dekarbonisierung von Unternehmen“. Mit ihm sprach Andreas Nordlohne, Chef vom Dienst des IHK-Magazins Wirtschaft Nordhessen.
Herr Prof. Junge, wie lauten als gefragter Experte und Buchautor Ihre entscheidenden Tipps: Wie sollten kleine und mittlere Unternehmen (KMU) die Transformation hin zur Klimaneutralität angehen?
Prof. Dr.-Ing. Mark Junge: Der erste Schritt ist Transparenz. Das bedeutet eine gründliche Analyse der aktuellen Energieverbräuche und Treibhausgas-Emissionen eines Unternehmens. Damit wird ersichtlich, wo die energetischen Herausforderungen liegen. Basierend auf diesen Daten werden Ziele für die Reduzierung von Emissionen und den Übergang zu erneuerbaren Energien gesetzt. Das Ganze muss als Change-Prozess und nicht als einmalige Aufgabe verstanden werden. Folglich liegt die Verantwortung in erster Linie bei der Geschäftsführung, die das Thema kommunizieren und vorantreiben muss. Bewährt haben sich Workshops, um ein einheitliches Verständnis für Begrifflichkeiten dieser Thematik zu schaffen. So zeigt sich im Unternehmensalltag, wie wichtig das Engagement der Mitarbeiter ist, damit eine nachhaltige Transformation erfolgreich ist.
Wenn die Eckpunkte stehen: Wie empfiehlt es sich, weiter vorzugehen?
Basierend auf den festgelegten Zielen sollten KMU einen detaillierten Umsetzungsplan erstellen. Dieser sollte konkrete Maßnahmen, Verantwortlichkeiten, Zeitpläne und Ressourcen für die Umsetzung der Energieeffizienz- und Nachhaltigkeitsinitiativen enthalten.
Welche Fördermöglichkeiten und Ansprechpartner helfen weiter?
Für KMU gibt es eine Vielzahl von Fördermöglichkeiten. Um bestmögliche Förderung zu erhalten, empfiehlt sich der Einsatz spezialisierter Dienstleister. Achten Sie bei der Auswahl auf Erfahrungen im Energieumfeld und auf erfolgsbasierte Honorare. Schauen Sie beim Umfang der Leistungen genau hin: Der Verwendungsnachweis und die Kommunikation mit Behörden sollten Bestandteile sein. Für diejenigen, die sich gerne selbst mit Förderprogrammen beschäftigen, empfehle ich den Blick in die „Bundesförderung für Energie- und Ressourceneffizienz in der Wirtschaft“ sowie die „Bundesförderung für effiziente Gebäude“. Dort finden Sie alles von der Förderung für Motoren, Drucklufterzeuger, Wärmepumpen, Messtechnik und vieles mehr bis hin zur Beratungsförderung.
Besonders erwähnen möchte ich hier die „Transformationspläne“. Ziel dieser Beratungsförderung ist es, Unternehmen bei der Planung und Umsetzung der eigenen Transformation hin zur Treibhausgasneutralität zu unterstützen. Dafür gibt es satte Zuschüsse zwischen 60.000 und 90.000 Euro. Die stolze Förderquote liegt zwischen 40 und 70 Prozent. Antragsberechtigt sind prinzipiell alle Unternehmen in Deutschland.
Wie wichtig ist es, sich mit den geänderten Gesetzen zu befassen, die dieses Jahr greifen?
Es ist wichtig, die neuen Vorschriften zu verstehen und sicherzustellen, dass das Unternehmen ihnen entspricht, um rechtliche Konsequenzen oder Haftungsrisiken zu vermeiden. Ein Beispiel ist das im November 2023 veröffentlichte Energieeffizienzgesetz. Es verpflichtet Unternehmen mit einem jährlichen durchschnittlichen Gesamtendenergieverbrauch innerhalb der letzten drei abgeschlossenen Kalenderjahre von mehr als 7,5 Gigawattstunden zur Einführung eines Umweltmanagementsystems nach EMAS oder Energiemanagementsystems nach DIN EN ISO 50001. Dazu bleibt ein Zeitfenster von nur 20 Monaten, sobald dieser Verbrauch erreicht ist.
Ein weiteres Beispiel ist das ESG-Reporting. So sind ab 2025 erste kapitalmarktorientierte Großunternehmen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet. Ab 2026 gilt diese Pflicht auch für mittelständische Unternehmen, abhängig von Mitarbeiteranzahl, Umsatz und Bilanzsumme.
Was wird Ihrer Meinung nach dabei am häufigsten unterschätzt?
Die Transformation hin zur Klimaneutralität ist ein langfristiger Prozess, der Zeit, Ressourcen und Investitionen erfordert. Die Komplexität der Zusammenhänge wird schnell unterschätzt. Hier geht es um Technologien, Ökonomie, aber auch soziale und rechtliche Herausforderungen und nicht zuletzt um das Thema Kommunikation.