Chef-Besuch. Die Top-Manager von Fritz Winter Eisengießerei über die Zukunftsperspektiven einer energieintensiven Traditionsbranche
Stadtallendorf. Schweres leicht und Unmögliches möglich machen. Das ist die Devise der Fritz Winter Eißengießerei in Stadtallendorf. Das 1951 gegründete Familienunternehmen ist eine der größten konzernunabhängigen Gießereien weltweit. Produziert werden – komplett nachhaltig – gut 19 Millionen Roh- und Fertigteile pro Jahr für die weltweite Automobil-, Nutzfahrzeug- und Hydraulik-Industrie.
450.000 Tonnen Eisen werden hier pro Jahr produziert
„Nachhaltigkeit ist hier kein Schlagwort, sondern schon immer Teil der Firmenphilosophie“, betonte Guido J. Weber gleich zu Beginn des aktiv-Besuchs. Er ist Geschäftsführer und Bereichsleiter Fahrwerk und einer von vier Spitzenmanagern, die gleichberechtigt die Geschicke des Unternehmens bestimmen.
Rund 450.000 Tonnen Eisen werden hier im Jahr hergestellt, durch spezielle Legierungen fein ausjustiert auf die jeweiligen Anforderungen der Bauteile. „Durch unsere Werkstoffkompetenz stellen wir etwa extrem leichte Zylinderblöcke her und bieten bei deutlich geringeren Kosten sowie besserer CO2-Bilanz eine ernsthafte Alternative zum Aluminium“, erklärt Ralf von Hörsten, Geschäftsführer und Bereichsleiter Antrieb.
Bereits vor einigen Jahren wurde die neue Fertigungstechnologie „ecoCasting“ entwickelt. Tausende Tonnen Formsand werden bei dem Verfahren eingespart und auch etwa 80 Prozent weniger Wasser verbraucht und 25 Prozent weniger CO2 emittiert. „Dadurch setzen wir für Qualität und Umwelt neue Standards in der Gießerei-Industrie und auch bei der Umsetzung innovativer Leichtbautechnologien“, so von Hörsten.
Die Gussteile, allein circa 14 Millionen Bremsscheiben pro Jahr, können zu 100 Prozent wiederverwertet werden. Und landen so vielleicht – wie auch alte Fahrräder, Stahlfelgen oder Waschmaschinentrommeln – irgendwann wieder hier. Denn alle Produkte von Fritz Winter bestehen zu 100 Prozent aus Stahlschrott.
Kontinuierlich wird an Produkten und Prozessen gearbeitet für noch geringeren Energie- und Rohstoffverbrauch, die Schonung von Ressourcen und minimale Emissionen. „Wir sind in unserer Branche führend, was Kapazität sowie Kompetenz angeht und betreiben zweifellos eine der nachhaltigsten Eisengießereien der Welt“, betont Weber.
Die Gesellschafter, Nachfahren des Firmengründers und zum Teil selbst Gießerei-Experten, haben selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten immer investiert. Finanzchef Ulf M. Kranz: „Profitabilität ging ihnen schon immer vor Mengenwachstum. Und das hat unter anderem dazu geführt, dass wir mit einem der höchsten Automatisierungsgrade weltweit produzieren.“
Zum Thema: Allianz „Klimaschutz und Nachhaltigkeit“ besucht Fritz Winter
Viele Mitarbeiter haben jahrzehntelange Gießerei-Erfahrung
In den kommenden Jahren sind wieder Investitionen in dreistelliger Millionenhöhe geplant: unter anderem für den Ausbau von ecoCasting, aber auch für Forschung und Entwicklung, zum Beispiel an abriebresistenten Bremsscheiben zur Reduzierung von Feinstaub oder an Bauteilen für E-Fuel- sowie Wasserstoff-Motoren.
Und die Belegschaft? „Die weiß, wie wichtig es ist, dass wir positive Ergebnisse erreichen, und zwar nicht nur in Stadtallendorf“, sagt Kranz. „Ihre Erfahrung, ihr Know-how und ihre Kompetenz machen Fritz Winter aus. Jede Schicht besteht aus jahrzehntelanger Gießereierfahrung“, betont Arbeitsdirektor Klaus G. Mager. Für ihn steht fest: „Nur gemeinsam mit unseren Beschäftigten können wir Prozesse weiter optimieren und fit bleiben für die Zukunft.“
Die Geschäftsführung von Fritz Winter und ihre Gründe, zu Fritz Winter nach Stadtallendorf zu wechseln:
Ralf von Hörsten, Jahrgang 1967, Diplom-Ingenieur, seit 2022 Geschäftsführer und Bereichsleiter Antrieb (COO und CTO)
„Fritz Winter zählt zu den Top-Unternehmen der Welt im Bereich Gießerei und ist, was moderne Gießereitechnik angeht, sehr anspruchsvoll unterwegs. Ich bin Techniker durch und durch, deshalb hat mich diese technologische Spitzenposition gereizt. Zudem wollen Gesellschafter wie Beiräte ernsthaft Veränderung, um die Firma trotz aller Herausforderungen unserer Zeit fit zu machen für die Zukunft. Das bedeutet, wir vier können hier wirklich machen. Und nicht zuletzt ist auch die Belegschaft hoch motiviert, neue Wege zu gehen. Den Satz: „Das haben wir noch nie so gemacht“ habe ich hier noch nicht gehört. Und das ist richtig gut.“
Guido J. Weber, Jahrgang 1966, Diplom-Ingenieur, seit 2022 Geschäftsführer und Bereichsleiter Fahrwerk (COO und CTO)
„Heavy Metal hat mein Leben geprägt. Dies gilt sowohl für meine berufliche Karriere als auch meinen Musikgeschmack. Seit 40 Jahren beschäftige ich mich nun mit der Herstellung und Verarbeitung von Metallen. Als Dipl.-Ing. der Werkstofftechnik habe ich zunächst in der Aluminium- und Stahlindustrie gearbeitet. In der dritten, und wahrscheinlich spannendsten Phase meiner Karriere, beschäftige ich mich nun seit einigen Jahren mit der Herstellung von Komponenten aus Eisenguss. Fritz Winter ist zweifelsohne ein Marktführer beim Eisenguss. Das Unternehmen bildet die gesamte Wertschöpfungskette vom Rohstoff bis zum einbaufertigen Teil ab. Nun an der Gestaltung der Zukunft dieses traditionellen Familienunternehmens mitzuwirken, ist gleichzeitig die Krönung meiner beruflichen Laufbahn“.
Klaus G. Mager, Jahrgang 1970, Diplom-Politologe, seit 2021 Geschäftsführer und Arbeitsdirektor (CHRO)
„Durch meinen Wechsel tauschte ich die Welt von Helikoptern bei Airbus mit der ganz „archaischen Welt“ von Feuer und Eisen. Unsere gesamte Industrie steht vor gewaltigen Herausforderungen und den damit verbundenen Transformationsprozess beim Traditionsunternehmen Fritz Winter mit anzustoßen und mitzugestalten, hat auch mich sehr gereizt. Als Arbeitsdirektor bin ich in besonderem Maße verantwortlich für die Menschen hier, von den Azubis bis zum leitenden Angestellten. Die gesamte Belegschaft mitzunehmen und in Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmervertretung die Kolleginnen und Kollegen auf dem „Transformationsweg“ zu begleiten ist für mich eine Herzensangelegenheit.“
Ulf M. Kranz, Jahrgang 1960, Diplom-Kaufmann, seit 2016 Geschäftsführer und Finanzchef (CFO)
„Mein Background sind die Finanzen und genau darum kümmere ich mich hier seit fast 7 Jahren. Es ist eine sehr spannende und für mich auch attraktive Aufgabe, immer für genügend Liquidität zu sorgen, damit Veränderungsprozesse, neue Ideen und Vorstellungen auch realisiert werden können. Abgesehen davon ist Fritz Winter ein sehr solides Unternehmen und ich glaube nicht, dass es in der Gießereiindustrie ein weiteres vergleichbares Unternehmen mit einer so tollen Bilanz gibt.“
Text: MAJA BECKER-MOHR
Quelle: HESSENMETALL & aktiv